Die Chronik will wissen, daß der Imperator Caligula ein vergnügter
Massenmörder, ein tierhafter Lüstling und ein Prediger der kalkulierten
Zerstörung war. Römische Dekadenz in Reinkultur? Verselbständigung der
kaiserlichen Macht in Richtung Psychiatrie? Oder gar ein gewöhnlicher
Verbrecher? Die Regie entfernt sich entschlossen von solchen gängigen
Fragestellungen, aber auch von Camus Theorien: weder Psychoperversitäten
noch der Begriff des Absurden werden hier als Ausgangspunkt genommen,
sondern die Poesie des Bösen im Sinne von Jean Genet, vermischt mit
einer strengen, romantischen Verzweiflung. Denn wer, wenn nicht ein
Desperado der Utopie, überträgt seinen eigenen Schmerz auf andere, weil
er eben seine Vision, den Mond, dieses alte lyrische Symbol, zu
besitzen, nicht verwirklichen kann? So wird aus dem Schmerz der eigenen
Verzweiflung ein allgemeiner. Und wenn Caligula schließlich ermordet
wird, dann, weil er sterben will: in der Tat läßt er sich bewußt
erdolchen, weil er sein Scheitern als vermeintlicher Mondbesitzer
erkennt. Mord ist hier gleich Selbstmord und Caligula ein romantischer
Held des Bösen. |