Von starkem Heimatgefühl beseelte Verse Ferdinand Saars aus
den "Wiener Elegien" schlagen das Thema an. Der Dichter ergeht sich
im Freien und sucht die Pfade, die zum Kahlenberg allmählich hinanführen. Da
liegt die geliebte Stadt vor ihm und jubelnd ruft er aus: "Ja, du bist
noch, o Wien! Noch ragt zum Himmel dein Turm auf, uralt mächtig Lied rauscht
ihm die Donau hinan." Der Kahlenberg ist, wie Richard Kralik sagt,
"der rechte Vater der Wienerstadt, wie die Donau ihre Mutter ist."
Auch nach der Geschichte darf er als Vater von Wien gelten, denn hier droben
hatten sich in grauer Vorzeit die Römer mit ihrem Wartturm eingenistet, und
hier oben stand bis in die Türkenzeit die Stadtfeste, von der aus Wien nicht so
selten Schutz und Rettung kam. In den schönen Jahren vor dem Weltkrieg führte
die Zahnradbahn von Nußdorf über Grinzing und Krapfenwald zur Höhe empor.
Versunkene Tage werden in einer kurzen Szene wieder lebendig: ,der kleine
Franzl sitzt aufgeregt mit Eltern und Großmutter auf den treppenförmig
ansteigenden Bänken des Wagens; das knurrende Zahnrad, die Rüttelbewegung der
dickbäuchigen Berglokomotive, der Blick auf die sonnige Landschaft und die
Erwartung kommender Genüsse in Buden und auf Ringelspielen wirken gewaltig auf
die kindliche Phantasie. Und dann kommen die Zeiten, in denen die Zahnradbahn
nicht mehr ging und der Kahlenberg in einen Dornröschenschlaf versank. Aber
schön war es auch damals oben und schon gar, wenn man zu zweit, wie das junge
Paar Anselm und Therese in der Erzählung "Der Narr vom Kahlenberg"
von Joseph August Lux, über Höhen und Täler, Wesen und Wälder wanderte, und am
Abend beglückt auf das in tausend Lichtern strahlende Wien blickte. Melodisch
klingen Verse von Max Mell und Anton Wildgans auf, und eine kleine Szene -
Franzl ist nun schon ein junger Bursch -fängt die Stimmung weh dramatisch ein.
Prophetisch mutet der Wunschtraum Hermine Cloeters aus dem Jahre 1911 an, ,,wie
herrlich das wäre, wenn eine prachtvolle Höhenstraße vom neu belebten Cobenzl
über den Kahlenberg und weiter bis auf den Leopoldsberg gebaut würde. Aber wann
wird der Prinz kommen, der das Dornröschen ,Kahlenberg' erweckt?" - Der
Wunsch ist in unseren Tagen Wirklichkeit geworden, und nun fährt Franz mit
seinem Annerl und der alten Mutter im Autobus auf der herrlichen Höhenstraße
hinan, denn immer gleich bleibt bei allen Generationen die Liebe der Wiener zu
ihrem Kahlenberg zit.n.: Radio Wien, 13.08.1937, S. 04
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