"Tasso ist das vollkommene, das wahre Musterdrama der Zukunft." Mit
diesen Worten hat sich der bekannte Goethe-Forscher Ernst Horneffer
gegen die These verwahrt, dieses Schauspiel sei ein reines Lesedrama.
Damit ist gleichzeitig gesagt, daß sich ein so auf das Wort gestelltes
Stück, zumal unter einer auf Führung und natürliche Auflockerung des
Dialogs bedachten Regie auch auf der reinen Hörbühne voll bewähren
müßte. Dieses Schauspiel hat nicht die reale Umwelt des italienischen
Dichters Torquato Tasso, der im 16. Jahrhundert "Das befreite Jerusalem"
schrieb, zur Grundlage, sondern spiegelt in jeder Phase die Atmosphäre
des Hofes von Weimar in idealisierter Form wider. Es ist die Tragödie
des Künstlers schlechthin. Der Anspruch des Genies stößt sich hier in
der Gestalt Tassos an seinem Gegenpol, dem klugen Weltmann und Höfling
Antonio. Hinter diesem äußeren Konflikt, der das Drama nur auslöst,
nicht aber bedingt, liegt die schicksalhafte innere Beziehung zwischen
dem Dichter und der Fürstin Leonore. Die in einer so in sich ruhenden
Welt als zerstörender Frevel erscheinen muß. Ihrem Maß muß sich auch das
Genie unterordnen. In unerhört gesteigerter Spannung führt dieses
Erlebnis zu dem großen Ausbruch, der mit dem "Hinweg!" der Fürstin sein
tragisches Ende findet. Aber aus der wilden Verzweiflung findet Tasso zu
seiner Sendung als Dichter, dem ein Gott zu sagen gibt, was er leidet. |