Den Sommer 1802 verlebte Heinrich von Kleist am Thurner See in der
Schweiz, wo Ludwig Wieland, der Sohn des Dichters, der Novellist
Heinrich Zschokke und der junge Gessner, der Sohn des Bauerndichters, zu
seinem engeren Umgang gehörten. Kleist, Wieland und Zschokke wetteten
eines Tages beim Anblick eines Kupferstiches, der eine Genreszene, eine
ländliche Gerichtsverhandlung um einen zerbrochenen Krug, darstellte,
wer am besten den Gedanken dieses Bildes poetisch darstellen könne.
Jeder von ihnen sollte eine andere Form wählen. Für Kleist gab diese
Wette den Anstoß zu seinem Werk "Der zerbrochene Krug", dem ersten
bedeutenden Lustspiel der deutschen Literatur, das ländliches Milieu
nicht höfisch idealisiert, sondern realistisch derb und packend
darstellt. Das Stück ist bis heute der unerreichste Höhepunkt deutscher
Lustspiel-Dramatik geblieben. Nur Gerhart Hauptmanns "Biberpelz" wäre
aus der späteren Zeit zu nennen. Die Gestalt des Dorfrichters Adam ist
über Kleists Charakterkomödie hinaus legendär geworden, ebenso wie viele
der komischen Situationen jenes Gerichtstages in dem kleinen
holländischen Dorf Huisum, den Kleists dichterische Phantasie gestaltet
hat. Artmanns austriakischer "Krug" hätte wahrscheinlich sogar den
strengen Brandenburger Heinrich von Kleist zum Lächeln gebracht. Die
Dorfbewohner, die um ihre Scherben, Liebe, Moral, um Eifersucht, Schuld
und Unschuld rechten, erscheinen in dieser Neufassung als Zeitgenossen
Nestroys - ausgestattet jedoch mit Artmann'schem Sprach- und Wortwitz. |